Über Social Learning „Vom passiven Teilnehmer zum aktiven Teilgeber“ durfte ich auf der Learntec 2020 auf dem Kongress sprechen.
Was ist überhaupt Social Learning?
Lasst uns dazu einen Blick in die Entwicklungspsychologie werfen: Seit einigen Jahren untersuchen Neurowissenschaftler und Psychologen, was beim Sozialen Lernen im Gehirn passiert. Der Psychologe Markus Paulus untersucht an der LMU München mit niederländischen Kollegen neuronalen Mechanismen des sozialen Lernens. Bereits im Alter zwischen sechs und neun Monaten beginnen Kinder, andere zu imitieren. Markus Paulus wollte herausfinden, wie diese Beobachtungen im Gehirn wirken. Dazu lud er neun Monate alte Kinder und ihre Mütter ein. Das Kind beobachtete über einen Zeitraum von einer Woche immer wieder , wie seine Mutter eine neue Rassel schüttelte. Das Kind selbst bekam die Rassel nicht in die Hand. Nach der Beobachtung ließ er das Rasselgeräusch ertönen und zeichnete im EEG-Labor die neuronalen Aktivitäten im Gehirn des Kindes auf. Spannend: Genau die Bereiche im Motorkortex, die die Handbewegung auf der motorischen Ebene auslösen, waren aktiv. Die Kinder haben neues Handlungswissen erworben, das sie sofort umsetzen können, wenn sie die Rassel in die Hand bekommen, alleine von der Beobachtung. Auch bei Tieren wurde ähnliches beobachtet. Orang-Utan-Babys essen nur das, was ihre eigenen Mütter essen. Was andere Mütter auf dem Speiseplan haben, rühren sie nicht an.
Soziales Lernen ist also eine sehr alte Form des Lernens: Ein Mensch oder Tier beobachtet, wie sich ein Artgenosse verhält, und ahmt dann dieses Verhalten nach. Deswegen spricht man auch vom Lernen am Modell.
Und: Soziales Lernen geht sehr schnell. Der Psychologe Andrew N. Meltzoff von der Universtität Washington forscht seit den 70er Jahren auf diesem Gebiet. Er postuliert, dass Imitation Lernen um ein Vielfaches beschleunigt und auch die Lernmöglichkeiten deutlich erhöht. Soziales Lernen ist viel schneller als das Lernen über Versuch und Irrtum.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Eine ziemlich lange Zeit sind Unternehmen recht gut damit gefahren Prozesse festzulegen und daran nur etwas zu verändern, wenn ein Impuls von außen kam. Die Entwicklung von Unternehmen verlief dadurch wie eine Treppe: Eine Stufe weiter, etwas ausruhen und dann wieder ein Entwicklungsschritt. Es war Zeit um die neuen Gegebenheiten zu perfektionieren. So verlief auch das Lernen. Man hatte Bedarf das Wissen zu erweitern und suchte seich ein Angebot. Häufig über klassische Präsenztrainings oder Fachtagungen. Heute funktioniert das nicht mehr so.
Kontinuierliches Lernen ist angesagt – warum?
Das Onlinelernen, zusammen mit weiteren innovativen Lerntechnologien, führt zu einem neuen Lernerlebnis: Lernen wird individueller und gleichzeitig kollaborativer. Arbeiten und Lernen rücken näher zusammen. Jane Hart, Centre for Learning & Performance Technologies, spricht sogar von einer Entwicklung vom „Knowledge Worker“ hin zum „Learning Worker“, also vom Wissens-Mitarbeitenden hin zum Lernenden-Mitarbeitenden (Hart 2015). Denn es geht nicht länger darum, Wissen anzuhäufen. Dafür benötigen wir eine Offenheit gegenüber neuen Lernmöglichkeiten, sowohl auf Unternehmens- als auch auf individueller Ebene.
Das 70-20-10 Modell hält Einzug in die Unternehmen
Das bedeutet wir lernen 70% über Aufgaben und Herausforderungen im beruflichen Alltag. Die Praxis ist der beste Lehrer für alles was wirklich wichtig und relevant ist. Voraussetzung ist natürlich das theoretische Wissen, doch echte Kompetenz entsteht erst im Doing.
20% lernen wir von dem Menschen, die uns im beruflichen Umfeld umgeben. Hier auch Normen der Unternehmenskultur. Hier setzt auch das Thema „Vorbildfunktion von Führungskräften“ an. Gute Führungskräfte geben ihr Know How weiter und tragen so gezielt zum Lernprozess ihrer Mitarbeiter bei und nehmen ihre Rolle als Personalentwickler wahr.
Einen überraschend kleinen Teil des Lernens machen die klassischen Lernformen aus. Seminare, Schulungen und andere Wissensvermittlung über Selbststudium und Bücher.
Das soll jetzt nicht heißen, dass klassische Weiterbildung überholt ist. Die gemeinsame Zeit und der Austausch steht im Fokus. Und genau deshalb sind Live Online Kurse auch so erfolgreich. Wir bringen Menschen mit unterschiedlichem Background und unterschiedlichen Erfahrungen zusammen. Und das ohne räumliche Begrenzungen.
Ein Interview zu meinem Vortrag ist bei CHECK.point eLearning erschienen. Du findest ihn hier. Herzlichen Gruß, Sandra